In der ZEIT vom 25.10.2007 "Der sanfte Reaktionär" heißt es:
http://www.zeit.de/2007/44/L-Mosebach?page=2Wir sind noch immer der Meinung, dass wir es herrlich weit gebracht haben, dass alle früheren Jahrhunderte und nichtwestlichen Weltregionen dunkel und unmenschlich seien, dass wir allein es ans Licht und zur Humanität gebracht haben.Nicht, dass wir unkritisch wären! Wir kritisieren täglich, dass es noch zu wenig Gleichheit gibt, zu wenig Markt, Emanzipation, Massenwohlstand. Wurde nicht erst kürzlich gesagt, dass die Arbeitslosigkeit nur bekämpft werden kann, wenn die Industrie effizienter wird, das heißt: indem sie noch mehr Menschen entlässt? Mit anderen Worten: Wann immer die Freunde der Moderne auf einen Modernisierungsschaden stoßen, rufen sie nach mehr Modernisierung. Mehr vom selben! Wenn etwas schiefgeht, noch mehr von dem, was schiefgegangen ist! Die landläufige Gesellschaftskritik bestärkt die Gesellschaft bei jedem Missstand, der auf dem Weg des Fortschritts entsteht, diesen Weg noch schneller voranzuschreiten.Wie konnte es zu dieser Fehlentwicklung kommen? Fehlt den Vordenkern, der sog. "Elite", die intellektuelle Distanz? Sind sie kritikunfähig geworden? Leiden sie unter Gehirnerweichung? Zu viel Fernsehen geguckt? BILD gelesen?
Mosebach jedenfalls macht nicht diesen Fehler:
"Martin Mosebach ist kein Autor, der seinen Zorn herausbrüllt. Sein Ton ist sanft, noch im Sarkasmus gezähmt und im Hohn elegant. Es ist, als wüsste er, dass er für den Verlust an Zivilisiertheit, den er beklagt, einen Ton braucht, der diese verlorene Zivilisiertheit selber enthält. Wenn er polterte, dann hätte seine Literatur selbst Anteil an der modernen Barbarei, die er beklagt. Mosebach ist geradezu dazu verdammt, die alteuropäische Delikatesse in seinen Romanen selbst herzustellen. Er muss das, wovon niemand mehr weiß, im Gefäß seiner Bücher noch einmal alchemistisch erzeugen."Reaktion ist meist die andere Seite der Aktion. Wir sollten einmal unsere Alltagsgeschäfte in dieser Hinsicht prüfen.
jo