In "Prophet des nächsten Weltkrieges" (ZEIT Nr. 44 vom 25.10.2007, 'Politik') fordert der neokonservative New Yorker Intellektuelle Norman Podhoretz eine neue Interpretation der jüngsten Weltgeschichte. Er versuchte im privaten Gespräch mit Bush, aber auch mit Hilfe seiner Zeitung 'Commentary' das Szenario plausibel zu machen, dass es vier Weltkriege gegeben habe bzw. gebe. Im 1. Weltkrieg sei gegen den Imperialismus zu Felde gezogen worden, im 2. gegen den Faschismus, im 3. gegen den Kommunismus (den sog. Kalten Krieg nennt er 3. Weltkrieg) und im 4., der seit des Zusammenbruchs der Sowjetunion begonnen habe, gegen den Islamofaschismus. Die 'Kriege' gegen Afghanistan, Irak und der Libanonkrieg Israels seien nur Schlachten des 4. Weltkrieges gewesen. Podhoretz setzt sich nun vehement für die Bombardierung Irans ein, um die von ihm vertretene Logik fortzusetzen und in der Realität zu bestätigen.
Mein Kommentar: Podhoretz macht sich hier die Erkenntnis zu Nutze, dass kein Mensch weiss, was die Realität wirklich ist, und dass es deshalb darauf ankomme, die Welt so zu interpretieren, wie es den eigenen Interessen am förderlichsten ist. Schließlich leben wir nicht in 'der Welt', sondern in unserer Interpretation. Wir erleben nicht, was ist, sondern was wir glauben.
Wir sollen also glauben, uns in einem 4. Weltkrieg zu befinden. Warum? Nun, weil die USA jährlich 500 Milliarden Dollar (so las ich kürzlich) in die Rüstung stecken. Diese 500 Milliaden fehlen dem Land, um im Wettrennen der Volkswirtschaften ganz vorne mitstreiten zu können. Ökonomisch haben die USA gegen Wirtschaftsgroßmachten wie Europa, China, Südostasien, ja selbst Russland, keine Chance wegen des permanenten Aderlasses in eine vollständig inproduktive Hochrüstung. Podoretz hat offensichtlich erkannt, dass sich die USA diese unproduktive 'Ressource' nicht leisten kann - es sei denn, sie werde in einem Weltkrieg produktiv gemacht, indem man die Waffen nutzt, um andere Länder auszuplündern und wirtschaftlich zurückzuwerfen. Poduretz hat erkannt, dass ein Schaf, das seinen Darm um die Hälfte verkürzt, Krallen aus den Hufen formt und sich Reißzähne zulegt, nicht länger Gras fressen kann, sondern auf Raubzug gehen muss. Raubzüge sind nicht ohne Beute möglich. Etwas muss zur Beute deklariert werden. Aus diesem Grund definierte Podhoretz ein undefinierbares Konglomerat aus diversen Interessen als Islamofaschismus - und Hokuskokus: schon haben wir die nächste Beute ausgemacht. Fortan sind die US-Waffen wirtschaftlich produktiv einsetzbar.
Das alles hat Logik. Trotzdem dürfen wir uns dieses Weltmodell nicht aneignen. Wir leben stets in gedeuteten Welten. Darum gilt es, eine intelligentere Deutung zu kreieren. Darum geht es mir in diesem Forum. Vielleicht könnt ihr mir durch eure konstruktive Kritik dabei helfen.
Dieses Forum ist eine Fortführung meines Zeitblogs http://die-zeit.blog.de , das jedoch allzusehr auf die ZEIT fixiert war und andere Informationsquellen ausschloss. Außerdem eignete sich der Zeitblog nur schlecht für Diskussionen.
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