Intelligenter Materialismus




Intelligenter Materialismus

Ungelesener Beitragvon hanjoheyer » So 9. Dez 2007, 10:41

In diesem Thread möchte ich mit euch gern die Gegenposition zu meiner Philosophie diskutieren, den intelligenten Materialismus - was das auch sein mag. Der in den Naturwissenschaften grassierende 'Naive Realismus' ist, wie der Name schon sagt, naiv. Es ist schlicht und einfach töricht, zu glauben, das das, was man sieht, auch so ist, wie man es sieht. Der Glaube, etwas sei genau so wie es uns erscheint, ist dumm! Es gäbe dann ja keine Täuschungen und Illusionen. Wenn man an den Weihnachtsmann glaubt, muss es ihn ja nicht gleich geben. Es gibt mit Sicherheit eine Realität hinter dem, was wir glauben. Aber diese Realität scheint mit einem 'tieferen Glauben' unlösbar verschränkt zu sein. Kann diese Realität hinter unseren Illusionen materiell sein?

Was ist ein intelligenter Materialismus?

jo
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Re: Intelligenter Materialismus

Ungelesener Beitragvon tommy » Sa 1. Mär 2008, 17:45

"Lemarchands Wuerfel oder Konfiguration brach die Oberflaeche des Realen auf, um das noch
Realere dahinter zu zeigen..." Clive Barker "Hellraiser"

"Wenn man es erklaeren kann, ist es immer noch Magie!" Terry Pratchett

"Die Tatsache, dass es in Deinem Kopf ist, macht es nicht weniger wirklich!" T.P.
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Re: Intelligenter Materialismus

Ungelesener Beitragvon hanjoheyer » So 2. Mär 2008, 10:59

Das Problem einer Philosophie, die sich "intelligent materialistisch" bezeichnen dürfte, ist m.E., dass Intelligenz mit physikalischen Prozessen beschrieben werden können müsste. Es gibt bis heute jedoch keinen Philosophen oder Wissenschaftler, der die "Erklärungslücke" (siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Erkl%C3%A4rungsl%C3%BCcke ) hat schließen können. Das Qualia-Problem ist vollständig ungelöst.

Man kann die Prozesse, die zum Sehen zuständig sind, beschreiben, aber man kann nicht erklären, warum wir überhaupt etwas wahrnehmen. Das "Wir" bzw. die Position des beobachtenden Subjektes, gibt es im (materialistischen) Physikmodell nicht. Die Informationen werden vom Auge ins Gehirn geleitet und dort verarbeitet, also automatisch interpretiert und ohne Umweg eines bewussten Subjektes in Handlungen des Körpers umgesetzt. Alles funktioniert ohne ein bewusstes Subjekt. Demnach gibt es zwar Informationen, aber niemanden, der informiert wird. Ein Subjekt taucht in materialistischen Beschreibungen nicht auf.

Die materialistischen Beschreibungen des Sehens sind wie die des Fotografierens. Ein Fotoapparat macht ein Bild, aber es gibt niemanden, der das Bild betrachtet. Dabei wird ein Foto erst durch den Betrachter zum Bild. Vorher sind das nur Kleckse auf einem Stück Papier. Erst das Subjekt macht aus einem Klecks zB einen Stuhl oder einen Baum auf einem Foto.

Ein Stich ins Bein wird von Nervenzellen registriert, als bloße "Information" (= Nervenimpuls) ins Gehirn geleitet, und dort entsteht eine Körperreaktion, aber wo ist der Sitz des Subjektes, das den Schmerz fühlt? Zwar mag es eine Körperreaktion geben, die mit dem Ruf "Aua!" gleichgesetzt wird, aber das Subjekt, das den Schmerz fühlt, gibt es angeblich nicht. Man kann es nicht finden.

Die Körperreaktion "Aua!" kann der Materialismus erklären, aber nicht, dass es einem Individuum tatsächlich weh tut!

Was ich hier versucht habe, ist die Erklärung des Qualia-Problems. Ein Schmerz, eine Wahrnehmung, kann nicht erklärt werden. Alle Erklärungen, zu denen der Materialismus fähig ist, leugnet genau das, was erklärt werden soll: die Wahrnehmung, den Schmerz. Es gibt keinen bekannten Übergang von der Beschreibung zum Erleben.

Es können Handlungen (Gedanken) beschrieben werden, die man als intelligent bezeichnen kann, aber dazu wird bereits ein intelligentes Individuum benötigt, das dies zu tun imstande ist. Ohne dieses Individuum kann nichts als intelligent bezeichnet werden. Das, was erklärt werden soll, muss bereits vorausgesetzt werden.

Es gibt keinen Weg von der Beschreibung eines Prozesses zum Erleben desselben. Ich ziehe daraus den Schluss, dass es einen intelligenten Materialismus nicht geben kann. Wenn ein Wissenschaftler sagt, im Verlaufe einer materiellen Evolution seien intelligente Lebewesen entstanden, ist die Aussage unwissenschaftlich. Die Evolution kann zu komplexen Handlungen führen, aber nicht zu subjektiven Erlebnissen dieser.

Nach meiner Philosophie ist der Materialismus incl. der Materie die dreidimensionale Oberfläche einer vierdimensionalen Seele. Auf der Oberfläche gibt es keine subjektive Beobachterposition, die Farben sieht und Schmerz fühlt. Das Subjekt - die Sele - ist die vierdimensionale "Kugel". Ihre Projektionen auf die Oberfläche geschehen, indem eine Qualität - die Qualia, eine komplette Dimension - nämlich die Erlebnisse des Subjektes wegreduziert werden.

Da sich die Naturwissenschaften ausschließlich mit der Oberfläche beschäftigen, finden sie nicht die Qualität im Innern der Kugel. Auf der Oberfläche gibt es kein Leben, kein Bewusstsein, keine Intelligenz, keine Moral, keine Willensfreiheit. All das finden wir nur innerhalb der Kugel.

Dass ich einen Stich ins Bein fühle, dass ich die rote Farbe sehe, kann naturwissenschaftlich nicht erklärt werden. Gefühle und Farben kennt die Physik - der Materialismus - nicht.
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Re: Intelligenter Materialismus

Ungelesener Beitragvon Akhyor Levian » So 2. Mär 2008, 20:44

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Re: Intelligenter Materialismus

Ungelesener Beitragvon hanjoheyer » So 2. Mär 2008, 22:06

"Daher muß ICH Dir beipflichten."

Ich dir auch.

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Re: Intelligenter Materialismus

Ungelesener Beitragvon tommy » Di 4. Mär 2008, 15:02

Schmerz ist koerperlich. Leiden ist geistig. (Nisigidartha Maharaj)
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Re: Intelligenter Materialismus

Ungelesener Beitragvon hanjoheyer » Mi 5. Mär 2008, 10:33

hallo tommy,

auch für mich befinden sich Leiden und Schmerzen auf unterschiedlichen Ebenen. Leiden sind sicher geistiger als Schmerzen; aus chronischem Leiden werden früher oder später Schmerzen. So haben entsteht beispielsweise aus chronischem Stress gern ein Herzinfarkt.

Trotzdem: Nach meiner Philosophie ist auch Schmerz geistig, und zwar weil der Körper geistig ist. F. v. Weizsäcker sagte - und ich stimme mit ihm überein: "Materie ist Geist, der nicht als Geist erscheint." Demnach ist Schmerz geistig, auch wenn er nicht geistig erscheint.

Prof. Thomas Metzinger sagte einmal in einer "schwachen" Stunde den halbwahren Satz, der zum Weiterdenken anregt: "Glaubt nicht, dass ihr (Studenten) hier in einem Hörsaal sitzt und herumlauft; ihr lauft in euren Sehrinden (eurer Gehirne) herum."

Unsere materiellen Körper (samt der Schmerzen), besser: das, was wir von unseren Körpern wahrnehmen können, sind kognitive Konstrukte (in) der Sehrinde. Körper und Schmerz sind Produkte der Tätigkeit hochvernetzter Nervenzellen. Da wir von uns selbst und von anderen Menschen immer nur die Abbildungen wahrnehmen (Wahrnehmungen sind Abbildungen), können wir nicht wissen, ob wir jenseits dieser Hirnkonstrukte noch reale Köroer haben; wir können nur Vermutungen darüber anstellen.

Die "intelligenten Materialisten" sagen nun, dass die Realität hinter dem Weltmodell, das uns unsere Hirne (re)präsentieren, annähernd deckungsgleich mit der Realität sei. Ich hingegen sage, dass es keine Theorie gibt, die besagt, wie genau eine Theorie mit der Realität übereinstimmt. Deshalb könne man keine Aussagen über die Deckungsgleichheit zwischen Realität und Modell machen.

Weiter sage ich: Da die Realität Geist und Materie ermöglicht, kann der Materialismus nicht stimmen, denn er leugnet den Geist (und damit Bewusstsein, Willensfreiheit, Leben, Ethik usw.).

Ich sagte über Metzinger, er sagte einen halbwahren Satz. Grund: Natürlich laufen wir nicht in unseren Sehrinden herum, denn die Sehrinde ist Teil des materialistischen Konzeptes, wonach wir in einer realen Außenwelt herumlaufen. Um diesen Widerspruch zu lösen, müssen wir uns von der Vorstellung, wir würden mit dem Gehirn denken und in ihm eine virtuelle Außenwelt simulieren, verabschieden. Vielmehr müssen wir uns mit dem Gedanken anfreunden, dass das materielle Gehirn ein (materielles) Modell unserer Seele von sich selbst ist.

Im Modell unserer Seele, dem Gehirn, gibt es nun keinen Homunculus, der in der Sehrinde herumläuft, sondern: Im Modell unserer Seele, der virtuellen Außenwelt samt virtuellem Körper samt virtuellem Gehirn laufen wir in der virtuellen Welt und nicht in der virtuellen Sehrinde herum. Grund: Metzingers These führt zum unendlichen Regress (das Russische-Puppen-Problem), was beweist, dass seine These zu kurz greift - er verstrickt sich im Unendlichen.

Meine Philosophie ist die einzige, die diese Fehler nicht macht.

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Re: Intelligenter Materialismus

Ungelesener Beitragvon tommy » Do 6. Mär 2008, 14:20

Reines Bewusstsein = Bewusstsein ohne Attribute und Modifikationen

Attribut: Ego, Person, Erinnerung, Wille, "mind", etc.
Modifikation: Gedanken, Gefuehle, Anziehung (Begehren), Abstossung (Meidung),etc.

These: Moeglicherweise hat Sat-Chit-Ananda (reines Bewusstsein) kein physiologisches
Substratum. (Obwohl der Zustand auch durch Opiate erzeugt, wenn auch nicht aufrecht-
erhalten werden kann).

"Yoga Chitta-Vritti Nirodha" = Die Vereinigung (der Parade der Dualitaeten) geschieht
durch die Aufhebung (Nirodha) der Modifikationen (Vritti) der Gedankenmaschine ("mind"
= Chitta) (Yogasutra des Pantanjali)
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Re: Intelligenter Materialismus

Ungelesener Beitragvon Akhyor Levian » Fr 7. Mär 2008, 01:39

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Re: Intelligenter Materialismus

Ungelesener Beitragvon Akhyor Levian » Fr 7. Mär 2008, 02:04

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