Lügner




Lügner

Ungelesener Beitragvon hanjoheyer » Do 5. Jun 2008, 07:43

Lügner müssen die Wahrheit kennen, sonst sind sie bloß Irrende. Leider war es mir bisher noch nicht vergönnt, einen solchen Lügner persönlich kennenzulernen. Die Lügner, mit denen ich ich es bisher immer zu tun hatte, waren solche, die vor dem Hintergrund einer vermeintlichen Wahrheit - einem irrigen Modell der Realität, logen; sie waren Lügner und Irrende in einer Person. Die Lüge diente der Stabilisation des irrigen Realitätsmodells; sie verhinderte die Anpassung des falschen Modells an die Realität. Die Lüge verhinderte, das Richtige und Wahre zu lernen. Das ist der Normalfall.

Lügner wollen eigentlich andere Menschen belügen; sie wollen sich mittels der Lüge gegenüber anderen Menschen Vorteile verschaffen. Dazu müssen sie sich spalten, müssen ein Doppeldenken üben, müssen sich in zwei Weltmodellen gleichzeitig zurechtfinden: einmal in ihrem vermeintlichen realen Modell und einmal in ihrer gelogenen "Realität". Ein Lügner braucht ein gutes Gedächtnis, denn um nicht aufzufliegen, muss er sich seine Lügen merken, und da jede Lüge weitere nach sich zieht, muss er sich immer mehr merken - bis er die Kapazität seines Merkvermögens überschreitet. Dann fliegt der Schwindel auf.

Ein Wahrheitsager hat es leichter. Er muss sich nichts merken. Er sagt einfach immer die Wahrheit. Tun sich Widersprüche auf, nun, dann hat er sich geirrt und muss den Widerspruch bereinigen. Auf diese Weise dringt der Wahrheitsucher nach und nach immer tiefer in das Geheimnis der Realität ein. Die Wahrheit des Lügners vertieft sich nie; sie bleibt stets oberflächlich. Der Lügner ist immer auch ein Irrender. Ich habe jedenfalls noch nie einen echten Lügner kennengelernt, einen Lügner, der die Wahrheit kennt.

En Lügner ist notwendig jemand, der nicht weiß, wie sehr er sich selbst schadet. Er lügt, um sich Vorteile zu verschaffen, aber er weiß nicht, wer er ist. Ergo weiß er auch nicht, was wirklich für ihn von Vorteil ist. Er lügt, um sich zu nützen, aber in Wahrheit schadet er sich. Er plustert sich auf, aber in Wahrheit verliert er Substanz. Ein Lügner ist ein Experte, wenn es darum geht, sich selbst eine Hölle zu bereiten. Ein Lügner ist ein Selbstbetrüger. Es ist ihm nicht möglich, sein Modell von der Realität, von der Wahrheit, vor seinen eigenen Lügen zu schützen: die Lügen vergiften seine Realität. Am Ende versinkt der Lügner in seinem selbsterzeugten Morast. Er kann nicht gerettet werden, denn er, das Subjekt, ist selbst ein Lügengespinnst. Er - das Ego - hat keine Realität, keine Substanz mehr.

Man kann nur lügen um den Preis seiner Seele.

Ein beseelter Mensch ist ein Zauberer. Seine Wahrheit verzaubert die Welt. Die Wahrheit hat Macht, die ein Lügner nie kennengelernt hat und nie begreifen kann. Die Gestaltungskraft der Wahrheit ist dem Lügner unsichtbar. Die heutige Welt kann ihre Magier nicht mehr sehen, nicht erforschen. Geheimdienste können nur Lügengebäude ausspionieren. Ihr geheimes Wissen ist wertlos. Realität und Wahrheit stehen groß vor ihnen da, aber sie können sie nicht sehen.
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Re: Lügner

Ungelesener Beitragvon Matthias Klein » Di 10. Jun 2008, 22:59

Volle Zustimmung!
Die von dir angesprochenen Lügner sind, wie du gesagt hast, sehr selten. In Teilbereichen existieren sie zwar häufig (man schaue einfach in die Medien), aber ein Mensch, der sein gesamtes Erscheinungsbild bewusst durch Lügen konstruiert, ist sehr selten.
Ebenso denke ich, dass in der Philosophie die Lügner selten sind. Zwar weicht man in Diskussionen gerne mal aus oder leugnet gewisse Phänomene, um nicht doof dazustehen, aber jmd, der zB ein philosophisches Werk verfasst, lügt quasi nie. Eine Theorie kann unter (hauptsächlich) zwei Umständen "falsch" sein, wobei nur der erste wirklich als flasch klassifiziert werden kann:
-sie enthält innere Widersprüche/trifft falsche Aussagen,obwohl sie von sich selbst sagt, den Gesetzen der Logikzu gehorchen
-sie hat sehr fragwürdige Prämissen
Bei den sog. großen Philosophen ist meistens letzteres der Fall.

Ein weiteres Problem ist, dass gute Lügner kaum von Leuten zu unterscheiden sind, die glauben, die Wahrheit zu sagen. Meist hilft hier nur die Intuition weiter, und auch die muss sehr gut geschult werden, um wirklich verlässlich zu sein.
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Re: Lügner

Ungelesener Beitragvon hanjoheyer » Mi 11. Jun 2008, 22:34

Hallo Matthias,

ich kenne einige Philosophen, die es meisterlich verstehen, SYSTEMATISCH zu lügen.

dein jo
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Re: Lügner

Ungelesener Beitragvon tommy » Fr 11. Jul 2008, 12:45

Sind Wahrheit und Luege nicht Werkzeuge? Wer sich an sie bindet, wird von ihnen beherrscht. Sollte der Meister nicht ueber beidem stehen?
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Re: Lügner

Ungelesener Beitragvon hanjoheyer » Fr 11. Jul 2008, 17:28

Hallo Tommy,

ich vermute, du hast deine Fragen in der Absicht, die Wahrheit zu erfahren, gestellt.

Ich unterscheide zwischen "empirischer Wahrheit" und geistiger Wahrheit. Die e.W. wird oft mit "der Wahrheit" (= angeblich die "Realität") verwechselt, da die meisten Menschen nichts anderes kennen, als die (empirische) Erscheinungswelt. Erscheinungen sind jedoch für mich nie wahr; sie sind subjektive Interpretationen. Da muss der Meister drüber stehen.

Zum Drüberstehen bedient er sich allerdings der geistigen Wahrheit. Ich glaube deshalb, dass er sich nicht über sie stellen kann.

Was meinst du?

dein jo
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Re: Lügner

Ungelesener Beitragvon Matthias Klein » Sa 12. Jul 2008, 21:14

Ich sag einfach mal, was ich dazu meine ;)

Ich bin mir ehrlich gesagt nicht ganz sicher. Ich denke die "geistige Wahrheit" von der du sprichst, hat hauptsächlich Theorien zum Inhalt. So würde ich zumindest diesen Begriff defnieren. Nun weiß ich nicht, ob ein Mensch über den Theorien stehen kann. Die Sache ist die: Wenn ich weiß(oder glaube/annehme was auch immer...), dass alle Wahrheiten "nur" Theorien von der Wahrheit sind, dann ist dies ja wieder auch eine Theorie. Diese Paradoxie ist nicht zu vernachlässigen. Einen Ausweg findet man nämlich nicht über andere Theorien, per Definition. Das einzige, was darüber stehen kann ist eine Art Gefühl oder Geisteszustand, den mann allerdings nicht (oder nur sehr schwer) in Worte und/oder Theorien fassen kann und sich somit auch nicht in Diskussionen oÄ vermitteln lässt. Wenn man diesen Zustand/dieses Gefühl besitzt, steht man dann über den Theorien? Werden sie dann zweitrangig? Oder versteht man sie dann erst richtig? Vielleicht auch beides? Oder ist die Frage unentscheidbar, weil sie sich die Antwort nicht mehr in Worte fassen lässt? Muss ich mal drüber nachdenken...

Viele Grüße
Matthias
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Re: Lügner

Ungelesener Beitragvon hanjoheyer » Sa 12. Jul 2008, 22:05

Hallo Matthias,

ich muss auch noch mal über die Sache nachdenken. Ich kann allerdings jetzt schon sagen, dass ich eine Theorie über geistige Wahrheiten habe. Diese Wahrheiten kenne ich nicht; ich kenne nur meine Theorien.

Deinen Aussagen über die Paradoxien, die durch Selbstbezüglichkeit entstehen, teile ich. Solche Paradoxien tauchen auf, wenn die Theorie zu kurz greift.

bis bald
jo
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