Drehbücher und Pisa-Debakel




Drehbücher und Pisa-Debakel

Ungelesener Beitragvon hanjoheyer » Do 20. Mär 2008, 10:13

Das Pisa-Debakel wirkt sich inzwischen offensichtlich bis in die Drehbücher der Kriminalfilme aus. In letzter Zeit fallen mir immer häufiger physikalische Unmöglichkeiten in den Filmen auf. Entweder werden die Drehbuchschreiber immer dummer oder man glaubt, auf das Gegenlesen eines Lektors verzichten zu können - was ein Zeichen administrativer Dummheit ist.

In einem Film überspielte der Räuber eines Juvellierladens Ultraschall auf seinen MP3-Player. Dann betrat er den Laden mit vorgehaltener Waffe, schaltete den MP3-Player an - und sämtliche Glasvitrinen zerbarsten mit einem lauten Knall, sodass er den Schmuck entwenden konnte, ohne Fingerabdrücke zu hinterlassen. Ein Ding der Unmöglichkeit. Die Energie eines MP§-Players reicht unmöglich aus, um das (Sicherheits-)Glas derart in Schwingungen versetzen zu können, dass es zerbricht.

In einem andern Krimi hielt das Opfer eines Verbrechens einen Elektroschocker an das Geländer eines Schiffes (aus ein paar tausend Tonnen Stahl) und setzte damit einen Ganoven, der ein paar Meter weiter dieses Geländer berührte, derart unter Strom, dass er sich nicht rühren konnnte. In Wahrheit hätte das Opfer bloß im Elektroschocker einen "Kurzen" erzeugt. Mehr nicht.

Außerdem fiel mir in diesen und anderen Krimis auf, dass die Täter gar nicht wirklich mittels Beweisen überführt wurden wie es stets den Anschein haben soll. In Wahrheit wurde die Mehrzahl der Täter zum Geständnis überredet, nachdem die Polizei den "realen" Tathergang rekonstruiert hatte und den Täter mit dieser Geschichte konfrontierte. Die Täter sahen sich durchschaut; sie glaubten, die Polizei wüsste nun alles und nun könnten sie auch gestehen. Irrtum! Die richtige Rekonstruktion des Tatherganges beweist gar nichts!

Offenbar soll der Fernsehzuschauer erzogen werden, eine richtige Rekonstruktion eines Tatherganges seitens der Polizei für einen Beweis zu halten und zu gestehen. Bei der Mehrzahl der in letzter Zeit gesehenen Kriminalfilme komme ich zum Schluss: hätte der Täter eisern geschwiegen, hätte man ihm nichts nachweisen können.
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Re: Drehbücher und Pisa-Debakel

Ungelesener Beitragvon Matthias Klein » Do 20. Mär 2008, 13:40

Noch eine Kleinigkeit: Das mp3 Format schneidet alle Frequenzen raus, die nich hörbar sind, deswegen ist das Format so klein. Da Ultraschall bekanntlich nich hörbar ist, ist das ganze noch abstruser :roll:
Ich habe ja nicht gegen unrealistische Filme oder sehr "spekulative" Technik. Aber dann sollte man nicht versuchen, es möglichst real wirken zu lassen.
Das mit der Rekonstruktion stimmt, wobei ich auch glaube, dass sowas gar nich alzu selten passiert. Ist ja auch besser für den Täter, wenn er gesteht. Und die wenigstens wissen ja, was so ein Gericht alles braucht um sie zu verurteilen.
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Re: Drehbücher und Pisa-Debakel

Ungelesener Beitragvon hanjoheyer » Do 20. Mär 2008, 18:43

Hallo Matthias,

früher sah ich Krimis immer wie ein Schachspiel: Der Kommissar treibt den Ganoven mittels rationaler Aktionen in eine Ecke und setzt ihn dann Matt. Der Verbrecher wehrt sich durch das Legen falscher Fährten. Der Kommissar sammelt Indizien und Zeugenaussagen, rekonstruiert so das reale Geschehen und übergibt den Verbrecher dann dem Staatsanwalt.

Ich glaube, der Zuschauer soll auch genau das glauben. Aber wenn man sich die Filme genauer anschaut, gewinnt man eher den Eindruck, dass der Verbrecher in eine psychisch ausweglos scheinende Situation getrieben wird, in der ihm dann das Geständnis als einziger "befreiender" Ausweg angeboten wird.

Kommissar und Verbrecher, aber auch Verbrecher und Opfer spielen eine Art Wettkampf um die Wirklichkeit - um die Deutungshoheit der Realität. In den Filmen kommt irgendwann immer der Punkt, an dem er den Verbrecher von seiner Realität überzeugt. Dann hat er ihn in der Falle.

Ich stelle mir manchmal vor, was passieren würde, wenn das Opfer die Wirklichkeit des Täters oder der Täter die Wirklichkeit des Kommissars nicht anerkennen würde.
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