Frühling, Sommer, Herbst und Winter




Frühling, Sommer, Herbst und Winter

Ungelesener Beitragvon hanjoheyer » Mo 17. Dez 2007, 10:58

Dieses Wochenende sahen ein Freund und ich zwei Filme. Der erste Film hieß "Frühling, Sommer, Herbst und Winter". Er lief bei ARTE. In ihm wird von einem buddhistischen Mönch, der auf einem Floß in einem kleinen See in Korea lebte, erzählt, der einen kleinen Jungen als Novize bei sich aufnahm. aufmerksam schaute der Mönch dem Jungen beim Spiel zu, wie dieser einen Fisch, einem Frosch und einer Schlange Stene an den Leib band, um deren Fortbewegung zu behindern. Lustvoll beobachtete der Junge, wie sich die Tiere mit der Last abquälten. Am Abend rief der mönch den Jungen zu sich und erklärte ihm, dass er selbst von nun an einen schweren Stein auf seinem Herzen tragen müsse, wenn er die armen Tiere nicht sofort befreie. Er band ihm einen schweren Stein auf den Rücken. Mit dieser schweren Lans auf dem Buckel machte sich der Junge auf den Weg und befreite die Tiere, aber der Fisch und die Schlange waren bereits tot. Der Junge weinte reuig.

Jahre vergingen; aus dem Jungen (Frühling) wurde ein junger Mann (Sommer). Eine Mutter brachte ihre kranke Tochter zum Mönch, der überall 'Meister' genannt wurde. Die Krankheit des Mädchens war, dass ihre Seele an den Verstrickungen in die materialistische Welt litt. Der Meister führte sie in das kontemplative Leben ein, woraufhin es völlig genas.

Der junge Mönch verliebte sich in das Mädchen. Zwei Irrtümer, wie ihn der Meister aufklärte. Es war keine Liebe, sondern Leidenschaft: "Der Lauf der Dinge!" sagte der Meister. Und die Dinge nahmen ihren Lauf. Als das Mädchen wieder in die Welt zurück geschickt wurde, folgte ihm der junge Mönch. Jahre später - Sommer - kehrte er völlig verstört, zum Meister zurück; er hatte das Mädchen getötet, weil es ihm nicht treu geblieben war. Der Meister sagte nur: Was du in der Welt begehrst, begehren auch andere! Finde dich damit ab." Aber er drang nicht mehr zur Seele des jungen Mannes durch. Er schlug ihn, ließ ihn 'Strafarbeiten' tun, um ihm die Folgen seines Handelns klarzumachen.

Zwei Polizisten tauchten auf, um den Jungen zu verhaften. Viele Jahre später kam er als älterer Mann mit seinem Sohn, den er von seiner getöteten Geliebten hatte, zurück (Herbst). Er hatte sicher viele Jahre im Gefängnis verbracht. Nun wusste er, dass er tatsächlich einen Mühlstein auf seinem Herzen trug. Er band sich selbst einen solchen um, und trug eine Buddhastatue auf einen Berg. Dann nahm er die Position des alten Meisters ein. Es war Winter.

Der Sohn des neuen Meisters fand eine Schildkröte, die er lustvoll quälte. ...

Im Film "Monsieur Ibrahim und die Blumen des Islam" ging es ebenfalls um einen Meister (Sufi) und seinen Novizen, einen Jungen namens Moses, der zuerst fast allen allein in der Wohnung seines Vaters lebte, der entweder auf der Arbeit oder im Lesezimmer war. Der 'Araber', gespielt von Omar Sharif, war der Ersatzvater für den Jungen. Als dessen richtiger Vater seine Arbeit verlor, beging er Selbstmord. Der Ersatzvater adoptierte Moses, dem er im Laufe der Zeit wichtige Weisheiten gelehrt hatte. ZB die, dass man nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit dem Herzen denken könne, dass man "behalte, was man gibt, und dass man verliere, was man behalten wolle."

Moses lachte nie. Seine Philosophie war, dass nur wer reich uist, glücklich sein und lachen könne, und er sei nun einmal nicht reich. Ibrahim lehrte ihn, dass das falsch sei. Glück entspringe der Langsamkeit. Glück sei nicht die Folge von Reichtum, sondern umgekehrt: Glück sei die Ursache davon. Fortan übte Mosis sich darin, andere Leute anzulächeln, krampfhaft zwar, aber Erfolge blieben nicht aus.

Was dem Möche im ersten Film die 'Klause' auf dem Floß im See war, war dem Sufimeister der kleine Lebensmittelladen in Marseille. Von morgens 8 bis abends um 12 saß er auf seinem Hocker hinter der Theke und meditierte mehr, als er Kaufmann war. Er schritt nie ein, wenn Moses es wieder einmal nötig hatte, ihn zu bestehlen. Er sagte auch nichts dazu, als der Junge die Bücher, die sein Vater hinterlassen hatte, verkaufte um vom Erlös die Huren bezahlte, die er aufsuchte, und die ihm fast wie Ersatzmütter waren.

Dann kam die Zeit des 'Heimgangs' des Meisters. Er kaufte sich ein Auto und fuhr mit dem Jungen, seinem adoptierten Sohn, in seine Heimat, die Türkei, zurück. Unterwegs zeigte er ihm Gotteshäuser anderer Religionen; die Pracht orthodoxer und katholischer Kathedralen. In der Türkei zeigte er ihm tanzende Derwische: "Sie drehen sich um ihre Herzen". Fast zu Hause angelangt, bittet er ihn, das Auto verlassen. Kurze Zeit später verunglückt er tödlich und stirbt im Hause seiner Familie. Seinem Sohn sagt er, er sterbe nicht; er gehe bloß hinüber in eine andere Welt. Man beginne als Stein, werde Pflanze, dann Tier, dann Mensch, und damit sei es nicht zu Ende. Nach dem Menschsein werde man - so man nicht mehr an die Welt gefesselt sei - zum Engel.

Am Ende der Geschichte saß nun Moses, inzwischen ein junger Mann, im Kaufladen seines Meisters und nahm dort dessen Position ein - und ließ sich von einem kleinen Jungen bestehlen. ...

Der Film zeigte, dass Langsamkeit und Bescheidenheit Voraussetzungen des Glücks sind. Geben und nicht Nehmen. Man kann auch sagen: Antikapitalismus. Ibrahiom sagte immer, er wisse nur, was im Koran stehe - inhaltlich, nicht wörtlich. Er hatte den Koran verinnerlicht. Moses war es lange Zeit ein Rätsel, was diese Verinnerlichung bedeutet. Verinnerlichung ist eine Art, sich die Welt zu eigen zu machen, aber anders, als die Kapitalisten es versuchen. Ibrahim machte sie sichzu eigen, indem er mit ihr eins wurde: "Alle flüsse fließen ins Meer", pflegte er zu sagen. Und das Meer wird ihn wieder in seine angemessene Welt gebähren, ergänze ich. Das steht freilich im Widerspruch zu dem, was Uta Ranke-Heinemann, die gesperrte Theologieprofessorin letztens in Maischbergers Talkshow fanatisch rief: "Es gbt keine Reinkanation!" Mit jedem Satz, den sie sagte, wurde klarer, dass diese Frau vom Geist nichts weiß.
hanjoheyer
 
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von Anzeige » Mo 17. Dez 2007, 10:58

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